Der Beitrag befasst sich mit dem Informationsbegriff nach dem VIG. Er gibt unter Einbeziehung und Auswertung der wesentlichen Rechtsprechung einen Überblick darüber, welche Informationen mithilfe des VIG beantragt werden können.
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Die Einführung des Verbraucherinformationsgesetzes (VIG) erfolgte aufgrund einer Häufung von Lebensmittelskandalen, denen mit dem Gesetz begegnet werden sollte. Zugleich liegt dem VIG das Bild eines „mündigen Verbrauchers“ zugrunde. Es dient dem Ziel, dass alle Bürger*innen informierte Kaufentscheidungen treffen können.1 Die den Informationsgegenstand bestimmenden §§ 1 und 2 sind Ausdruck dieses Grundverständnisses,2 wobei § 1 VIG den Anwendungsbereich abstrakt benennt, während § 2 konkrete Vorgaben zu den Informationen, die nach dem VIG beantragt werden können, enthält.
Nach § 1 VIG erhalten Verbraucherinnen und Verbraucher freien Zugang zu den bei informationspflichtigen Stellen vorliegenden Informationen über Erzeugnisse im Sinne des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie Verbraucherprodukte, die dem § 2 Nr. 25 des Produktsicherheitsgesetzes unterfallen. Der Gesetzgeber hat § 1 erst im Wege einer Novellierung des VIG im Jahr 2012 in das Gesetz aufgenommen. Laut Gesetzesbegründung soll § 1 dazu dienen, die Auslegung des Gesetzes zu erleichtern und den zuständigen Vollzugsbehörden eine Auslegung des Gesetzes ohne Rückgriff auf die Gesetzesmaterialien zu ermöglichen.3 § 1 ist insoweit im Wesentlichen Auslegungshilfe bei Anwendung der konkreten, in § 2 VIG enthaltenen Vorgaben. Für die Bestimmung, was Informationen nach dem VIG sind, ist die Norm nicht zwingend erforderlich. § 1 verweist auf das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sowie auf das Produktsicherheitsgesetz (ProdSG). Die Vorgaben des VIG hängen damit von diesen Gesetzen und der jeweils hierzu ergangenen Rechtsprechung ab.4 Dies ist mit Blick auf die Einheit der Rechtsordnung einerseits positiv zu bewerten, andererseits führt es dazu, dass das VIG aus sich selbst heraus schwer verständlich ist.
Nach § 2 Abs. 1 LFGB sind Erzeugnisse Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffen, Futtermittel, Mittel zum Tätowieren, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände. Die weiteren Begriffe sind überwiegend in unmittelbar geltenden EU-Verordnungen definiert, weswegen der Gesetzgeber in § 2 LFGB seit der letzten Änderung des LFGB weitestgehend auf weitere Begriffsbestimmungen verzichtet.5 „Lebensmittel“ sind alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden.6 Zu „Lebensmitteln“ zählen auch Getränke, Kaugummi sowie alle Stoffe — einschließlich Wasser —, die dem Lebensmittel bei seiner Herstellung oder Ver- oder Bearbeitung absichtlich zugesetzt werden. Nicht als Lebensmittel anzusehen sind unter anderem lebende Tiere, soweit sie nicht – wie beispielsweise Austern – für das Inverkehrbringen zum menschlichen Verzehr hergerichtet worden sind.7 Das Lebensmittel wird grundsätzlich vom geschlachteten Tier gewonnen.8
Beispiele: Essen wie etwa Fleisch, nicht aber lebende Tiere, pflanzliche Produkte, aber keine Pflanzen vor dem Ernten, Getränke, Kaugummis
Ein „Lebensmittelzusatzstoff“ ist nach Art. 3 Abs. 2a VO (EG) Nr. 1333/2008 ein Stoff mit oder ohne Nährwert, der in der Regel weder selbst als Lebensmittel verzehrt noch als charakteristische Lebensmittelzutat verwendet wird und einem Lebensmittel aus technologischen Gründen bei der Herstellung, Verarbeitung, Zubereitung, Behandlung, Verpackung, Beförderung oder Lagerung zugesetzt wird, wodurch er selbst oder seine Nebenprodukte mittelbar oder unmittelbar zu einem Bestandteil des Lebensmittels werden oder werden können.9
Beispiele: Farbstoffe, Geliermittel10
„Futtermittel“ sind verarbeitete, teilweise verarbeitete oder unverarbeitete Stoffe (auch Zusatzstoffe) oder Erzeugnisse, die zur oralen Tierfütterung bestimmt sind.11
Beispiele: Kraftfutter, Heu12
„Mittel zum Tätowieren“ wurden im Zuge der jüngsten Novelle des LFGB ausdrücklich in § 2 Abs. 1 LFGB aufgenommen.13 „Mittel zum Tätowieren“ ist hierbei synonym mit Tätowierfarbe.14
„Kosmetische Mittel“ sind Stoffe oder Gemische, die dazu bestimmt sind, äußerlich mit den Teilen des menschlichen Körpers (Haut, Behaarungssystem, Nägel, Lippen und äußere intime Regionen) oder mit den Zähnen und den Schleimhäuten der Mundhöhle in Berührung zu kommen, und zwar zu dem ausschließlichen oder überwiegenden Zweck, diese zu reinigen, zu parfümieren, ihr Aussehen zu verändern, sie zu schützen, sie in gutem Zustand zu halten oder den Körpergeruch zu beeinflussen.15
Beispiele: Zahnpasta, Parfum, Cremes, Make-up
„Bedarfsgegenstände“ werden in § 2 Abs. 6 LFGB wiederum mittels einer längeren Auflistung sowie einer Negativabgrenzung16 definiert. Den Bedarfsgegenständen im Sinne von Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 bis 7 LFGB ist hierbei im Wesentlichen gemein, dass sie direkt oder indirekt auf den menschlichen Körper einwirken können.17
Beispiele: Spielwaren, Kleidung, Reinigungsmittel18
Nach § 2 Nr. 25 ProdSG ist ein Verbraucherprodukt ein neues, gebrauchtes oder wiederaufgearbeitetes Produkt, das für Verbraucherinnen und Verbraucher bestimmt ist oder unter Bedingungen, die nach vernünftigem Ermessen vorhersehbar sind, von Verbraucherinnen und Verbrauchern verwendet werden kann, selbst wenn es nicht für diese bestimmt ist; als Verbraucherprodukt gilt auch ein Produkt, das der Verbraucherin oder dem Verbraucher im Rahmen einer Dienstleistung zur Verfügung gestellt wird.
Eine Definition des Begriffs Verbraucher enthält das ProdSG nicht. Es kann insoweit auf den allgemeinen Sprachgebrauch abgestellt werden, wonach private Konsument*innen als Verbraucher verstanden werden.19 Keine Verbraucherprodukte sind damit nur solche, die ausschließlich bei einer beruflichen, gewerblichen oder selbständigen Arbeit zum Einsatz kommen können. Maßgeblich ist, worauf sich die angefragte Information bezieht; die anfragenden Personen müssen keine Verbraucher sein,20 sondern können Anfragen nach dem VIG auch im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stellen.
§ 2 Abs. 1 VIG beschreibt in sieben Ziffern die potenziellen Anspruchsgegenstände konkret.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 a) bis c) VIG sind Informationen zunächst alle Daten über von den nach Bundes- oder Landesrecht zuständigen Stellen festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und des Produktsicherheitsgesetzes, der auf Grund dieser Gesetze erlassenen Rechtsverordnungen, unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich der genannten Gesetze sowie Maßnahmen und Entscheidungen, die im Zusammenhang mit den genannten Abweichungen getroffen worden sind.
1. Praktische Relevanz
Nr. 1 ist die in der Praxis relevanteste Variante von § 2 VIG. Dies liegt vor allem an der von FragDenStaat und foodwatch initiierten Kampagne „Topf Secret“.21 Die Kampagne ruft Bürger*innen dazu auf, Lebensmittelkontrollberichte, die – soweit sie Beanstandungen enthalten – Informationen im Sinne von Nr. 1 darstellen, bei den zuständigen Behörden anzufragen. Sie dient dem Ziel, einen Anreiz für Unternehmen zu schaffen, sich an lebensmittelrechtliche Vorgaben zu halten und soll zugleich langfristig auf eine proaktive Veröffentlichung der Berichte seitens der Behörden hinwirken.22
In den vergangenen Jahren haben Teilnehmende der Kampagne mehr als 60.000 Anfragen in Bezug auf Lebensmittelkontrollberichte gestellt23 und – mit großem Erfolg – eine Vielzahl von gerichtlichen Verfahren geführt.24
2. Auslegung
„Anforderungen“ im Sinne von Nr. 1 ergeben sich aus diversen Vorgaben des nationalen Lebensmittelrechts25 und den Vorgaben des Produktsicherheitsgesetzes sowie sämtlicher Verordnungen, die auf seiner Grundlage erlassen wurden. Daneben sind die Vorgaben der VO(EG) 178/2002 (Lebensmittelbasisverordnung) sowie der VOen (EG) 852–854/2004 (Lebensmittelhygiene) relevant.26
Die mit Gesetzesänderung vom 17. Oktober 2012 neu eingefügte Formulierung „festgestellte nicht zulässige Abweichung von Anforderungen“ ersetzt die in alter Fassung verwendete Terminologie „Verstoß“.27 Die Änderung begründete der Gesetzgeber damit, dass es zuvor in der Rechtsprechung Unstimmigkeiten hinsichtlich der Auslegung gegeben habe. Mit der Änderung wird klargestellt, dass die Abweichung von Rechtsvorschriften objektiv gegeben sein muss, ohne dass es hierfür auf ein subjektiv vorwerfbares Verhalten ankommt.28
Einwände, dass § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG damit zu unbestimmt und dementsprechend verfassungswidrig sei, hat das Bundesverwaltungsgericht zurückgewiesen.29 Der Bedeutungsgehalt des Merkmals „festgestellte nicht zulässige Abweichungen von Anforderungen“ sei im Wege der Auslegung konkretisierbar.30
Die Konkretisierung ergibt folgendes Bild: Für die Feststellung einer Abweichung ist es ausreichend, dass in einem Kontrollbericht im Ergebnisprotokoll eine Beanstandung vermerkt ist.31 Die Behörde muss eine eigene rechtliche Subsumtion vornehmen,32 eines bestandskräftigen Verwaltungsakts bedarf es jedoch nicht.33 Erst recht wird keine Ahndung der nicht zulässigen Abweichung als Straftat oder Ordnungswidrigkeit vorausgesetzt.34
Die festgestellten Abweichungen müssen keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit erreichen, auch minderschwere Verstöße sind umfasst.35 Vollumfänglich regelhaftes Verhalten von Unternehmen kann hingegen nicht Gegenstand eines Anspruchs auf Informationszugang nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG sein.36 Ein Kontrollbericht, der keinerlei Beanstandungen enthält, unterliegt folglich nicht dem Informationsbegriff von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG. In zeitlicher Hinsicht ist wiederum nicht erforderlich, dass die nicht zulässige Abweichung im Zeitpunkt der Antragstellung oder des Informationszugangs noch fortbesteht.37
3. Keine Einschränkung des Informationszugangs aufgrund entgegenstehender Grundrechte Dritter
Das Bundesverwaltungsgericht hat festgestellt, dass mit § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG kein ungerechtfertigter Eingriff in Grundrechte der betroffenen kontrollierten Betriebe verbunden ist.38 Die Norm diene dem Verbraucherschutz und somit einem legitimen Zweck. Eine umfassende Information des Verbrauchers und die Herstellung von Transparenz könnten auch nur mittels des Anspruchs auf Informationszugang erreicht werden. Das Gewicht des Eingriffs werde zudem dadurch relativiert, dass die Unternehmen negative Öffentlichkeitsinformationen durch rechtswidriges Verhalten selbst hervorgerufen hätten. Der Gesetzgeber habe Vorkehrungen dafür getroffen, dass der Informationszugang für die Unternehmen nicht zu untragbaren Folgen führe.39 In verfahrensrechtlicher Hinsicht sieht das Bundesverwaltungsgericht die Beteiligung des Dritten (insbesondere die daraus resultierende Möglichkeit des Eilrechtsschutzes) als wichtigen Schutz.40
Im Nachgang dieser Entscheidung haben verschiedene Zivilgerichte im Zusammenhang mit im Rahmen von Topf Secret veröffentlichten Berichten festgestellt, dass auch die regelmäßig erfolgende Veröffentlichung der Berichte – wozu das VIG selbst keine Regelung enthält – rechtmäßig ist und keinen unzulässigen Eingriff in die Grundrechte der betroffenen Unternehmen bedeutet. Nach der Rechtsprechung des LG Schweinfurt handelt es sich bei der Veröffentlichung von Lebensmittelkontrollberichten um einen Beitrag zum öffentlichen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit berührenden Frage, bei der Eingriffe in das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb in der Regel zurücktreten müssen.41 Eine kampagnenartige Weiterverwendung von Informationen sei zudem im VIG gerade angelegt und entspreche dessen Zielsetzung.42 Fast zeitgleich entschied das LG Köln in einem parallel gelagerten Fall ebenfalls zugunsten einer Veröffentlichung.43
Die Praxis einiger Behörden, bezüglich Kontrollberichten im Sinne von Nr. 1 aus Sorge vor einer etwaigen Veröffentlichung lediglich eine Akteneinsicht vor Ort, nicht aber die Zusendung der Kontrollberichte zu gewähren, ist damit rechtswidrig.44 Schreiben des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands (DEHOGA), in denen Antragsteller*innen aufgefordert werden, ihnen zugesandte Kontrollberichte nicht zu veröffentlichen, entbehren einer rechtlichen Grundlage und stehen im Widerspruch zur bisher ergangenen Rechtsprechung.45
Praxistipp: Ihr müsst eine Beschränkung des Informationszugangs auf Akteneinsicht vor Ort nicht hinnehmen, sondern könnt auf eine Zusendung der Informationen bestehen.
Informationen, die nach dem VIG angefragt werden können, sind darüber hinaus gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 VIG von einem Erzeugnis oder einem Verbraucherprodukt ausgehende Gefahren oder Risiken für Gesundheit und Sicherheit von Verbraucherinnen und Verbrauchern.
Im Gegensatz zu § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG ist insofern nicht erforderlich, dass unzulässige Abweichungen festgestellt wurden, sondern es geht um (abstrakte) Gefahren oder Risiken. Nach der Gesetzesbegründung wird mit dieser Ziffer der Zweck des „vorbeugenden Verbraucherschutzes“ verfolgt.46
Hinsichtlich der Begriffe „Gefahr“ und „Risiko“ kann auf die in Art. 3 Nr. 9 und Nr. 14 der VO 178/2002 enthaltenen Definitionen sowie ergänzend das Polizeirecht zurückgegriffen werden.47
Eine Gefahr ist im allgemeinen polizeirechtlichen Sinne so zu verstehen, dass eine Sachlage gegeben ist, bei der bei ungehindertem Geschehensablauf objektiv die hinreichende Wahrscheinlichkeit für den Eintritt eines Schadens für die öffentliche Sicherheit besteht.48 Art. 3 Nr. 14 der lebensmittelrechtlichen Basis-Verordnung (EG) Nr. 178 spezifiziert diese Definition und beschreibt als Gefahr „ein biologisches, chemisches oder physikalisches Agens [eine Substanz] in einem Lebensmittel oder Futtermittel oder einen Zustand eines Lebensmittels oder Futtermittels, der eine Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen kann“. Ein Risiko ist nach Art. 3 Nr. 9 der lebensmittelrechtlichen Basis-Verordnung (EG) Nr. 178/2002 „eine Funktion der Wahrscheinlichkeit einer die Gesundheit beeinträchtigenden Wirkung und der Schwere dieser Wirkung als Folge der Realisierung einer Gefahr“. Eine Gesundheitsgefahr bzw. ein Gesundheitsrisiko ist folglich etwa dann zu bejahen, wenn bei dem Verzehr des Erzeugnisses eine Verschlechterung des gesundheitlichen Zustandes zu befürchten ist.49 Eine zeitliche Begrenzung dahingehend, dass die Gefahren im Zeitpunkt der Antragstellung noch vorliegen müssen, besteht nicht.50
Beispiel: Feststellungen eines Landesamtes für Verbraucherschutz über eine Fleischprobe als gesundheitsschädlich51
Informationen nach dem VIG sind gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 VIG darüber hinaus die Zusammensetzung von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, ihre Beschaffenheit, die physikalischen, chemischen und biologischen Eigenschaften, einschließlich ihres Zusammenwirkens und ihrer Einwirkung auf den Körper, auch unter Berücksichtigung der bestimmungsgemäßen Verwendung oder vorhersehbaren Fehlanwendung. Auch insoweit ist nicht erforderlich, dass unzulässige Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG vorliegen. Zur Beschaffenheit eines Erzeugnisses können auch Gehalte an gegebenenfalls unerwünschten Substanzen wie Tierarzneimitteln sowie alle Kontaminationen aus der Umwelt gehören, selbst wenn sie noch keine unzulässigen Abweichungen im Sinne von § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG darstellen und deswegen – auch ohne zusätzliche Kennzeichnung auf dem Produkt – verkehrsfähig sind.52
Beispiel: Rindfleisch-Erzeugnis mit festgestellter Pferde-DNA von unter 1 %53
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 VIG unterfallen dem VIG ferner alle Daten über die Kennzeichnung, die Herkunft, die Verwendung, das Herstellen und das Behandeln von Erzeugnissen und Verbraucherprodukten, die bei einer Stelle im Sinne des Absatzes 2 vorhanden sind. Mit Kennzeichnung ist laut der Gesetzesbegründung insbesondere die Frage nach der Bedeutung bestimmter bei der Kennzeichnung verwendeter Begriffe oder Gütesiegel gemeint.54 Der Begriff der Herkunft umfasst primär örtliche Angaben, er kann darüber hinaus aber auch Informationen über den*die Hersteller*in beinhalten.55 Mit dem Begriff der Verwendung dürften primär Informationen hinsichtlich der Verwendung des Produkts seitens der Verbraucher*innen gemeint sein.56 Als „Herstellen“ wird das Gewinnen, einschließlich des Schlachtens oder Erlegens lebender Tiere, deren Fleisch als Lebensmittel zu dienen bestimmt ist, das Herstellen, das Zubereiten, das Be- und Verarbeiten und das Mischen angesehen.57 Herstellen meint hierbei nur den regelgerechten Herstellungsprozess.58 Geht es um festgestellte, nicht zulässige Abweichungen, so ist wiederum Nr. 1 einschlägig. Behandeln umfasst „das Wiegen, Messen, Um- und Abfüllen, Stempeln, Bedrucken, Verpacken, Kühlen, Gefrieren, Tiefgefrieren, Auftauen, Lagern, Aufbewahren, Befördern sowie jede sonstige Tätigkeit, die nicht als Herstellen oder Inverkehrbringen anzusehen ist“.59
Beispiel: Biosiegel
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 5 VIG sind darüber hinaus zugelassene Abweichungen von den in Nummer 1 genannten Rechtsvorschriften über die in den Nummern 3 und 4 genannten Merkmale oder Tätigkeiten umfasst. Eine zugelassene Abweichung liegt etwa vor, wenn eine Ausnahmegenehmigung erteilt wurde.60 Mögliche Ausnahmen finden sich in §§ 68, 69 LFGB.
Beispiel: Zugelassene Abweichung mit Blick auf das Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen bestimmter Lebensmittel als Sonderverpflegung für Angehörige der Bundeswehr und verbündeter Streitkräfte, der Bundespolizei und der Polizei oder des Katastrophenschutzes, des Warn- und Alarmdienstes und der sonstigen Hilfs- und Notdienste.61
Nach § 2 Abs. 1 Nr. 6 VIG sind als Verbraucherinformation darüber hinaus die Ausgangsstoffe und die bei der Gewinnung der Ausgangsstoffe angewendeten Verfahren zu qualifizieren. Der Begriff der Ausgangsstoffe umfasst auch Inhalts- und Zusatzstoffe.62 In Abgrenzung zu den Nummern 3 und 4 geht es insbesondere um solche Stoffe, die nur im Produktionsprozess eine Rolle gespielt haben, jedoch nicht mehr im späteren Erzeugnis vorhanden sind.63
Beispiel: Sogenannte „Verarbeitungshilfsstoffe“ wie etwa Enzyme zur Herstellung von Traubenzucker.64
Schließlich sind Informationen im Sinne des VIG gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 VIG Überwachungsmaßnahmen oder andere behördliche Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz von Verbraucherinnen und Verbrauchern, einschließlich der Auswertung dieser Tätigkeiten und Maßnahmen, sowie Statistiken über Verstöße gegen in § 39 Abs. 1 S. 1 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches und § 8 des Marktüberwachungsgesetzes genannte Rechtsvorschriften, soweit sich die Verstöße auf Erzeugnisse oder Verbraucherprodukte beziehen. Nr. 7 erfasst – wiederum in Abgrenzung zu § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VIG – abstrakte Informationen zu Überwachungsmaßnahmen, nicht jedoch konkret festgestellte Abweichungen.65
Beispiel: Statistiken und Tätigkeitsberichte zu Überwachungsmaßnahmen66
Der Beitrag befasst sich mit dem Informationsbegriff nach dem VIG. Er gibt unter Einbeziehung und Auswertung der wesentlichen Rechtsprechung einen Überblick darüber, welche Informationen mithilfe des VIG beantragt werden können. Ein weiterer Fokus liegt auf Beispielen und praktischen Hinweisen, die unter anderem auf Erfahrungswerten aus der von FragDenStaat und foodwatch initiierten Kampagne Topf Secret basieren.
The article lays out the term consumer information and gives an overview, which kind of information can be requested under the German consumer information law. It focuses on the relevant case law and shares the practical experiences that result from the campaign “Topf Secret”.
Verbraucherinformationen; Erzeugnisse; Verbraucherprodukte; Lebensmittelkontrollberichte; Topf Secret
consumer information; produce; consumer products; official food control reports; “Topf Secret”
Hannah Vos, ORCID-ID: 0009-0008-3529-0892, Open Knowledge Foundation Deutschland e.V., Singerstraße 109, 10179 Berlin, [email protected].