“Gendern” oder auch gendersensibilisierte Sprache ist gegenwärtig im wahrsten Sinne des Wortes in aller Munde. Es beschäftigt eine Vielzahl von Menschen, insbesondere im akademischen Bereich von der studierenden bis zur dozierenden Person.
Über dieses Thema wird viel diskutiert und gestritten. Es besteht nicht nur Uneinigkeit hinsichtlich der “besten” Methode gendersensibilisierter Sprache (Spoiler: die gibt es nicht), sondern auch grundsätzlich darüber, “ob” gendert werden sollte.
Wir - 15 Autor*innen - kennen die Debatten um gendersensibilisierte Sprache gut. Wir sind allesamt Rechtswissenschaftler*innen und insbesondere die Rechtswissenschaft scheint in weiten Teilen der gendersensibilisierten Sprache noch skeptisch gegenüberzustehen. Dies wird auch deutlich bei der Betrachtung von Promotionsordnungen. So ist es an einigen juristischen Fakultäten ausschließlich möglich, den Grad des Doktors verliehen zu bekommen.1 Andere juristische Fakultäten ermöglichen zwar den Grad der Doktorin,2 sehen jedoch keine Variante vor, die auch andere Geschlechtsidentitäten berücksichtigt.
Die Zurückhaltung der Rechtswissenschaft in Fragen gendersensibilisierter Sprache führte dazu, dass wir alle uns den immergleichen Fragen gegenübersahen: Sollte ich gendersensibilisierte Sprache verwenden? Wenn ja, wie mache ich das am besten? Wo bekomme ich Unterstützung? Wie gehe ich das an?
Diese Fragen treten insbesondere im Rahmen der Dissertation auf. Diese ist für die meisten Doktorand*innen die erste Veröffentlichung, also der erste Ort, die eigenen Gedanken der Öffentlichkeit zugänglich zu machen – und damit auch der erste Moment, tiefgehender über gendersensibilisierte Sprache nachzudenken. So auch für einige von uns.
Geprägt von unseren eigenen Erfahrungen haben wir uns im August 2022 zusammengeschlossen, um diesen Leitfaden zu schreiben. Während unseres Studiums, des Referendariats und insbesondere unserer Promotionen hätten wir uns einen Leitfaden gewünscht, der viele drängende Fragen rund um gendersensibilisierte Sprache beantwortet.
Da die meisten Autor*innen von uns auch Doktorand*innen sind, hat dieser Leitfaden seinen Schwerpunkt in gendersensibilisierter Sprache in der Dissertation. Er kann allerdings gewiss auch für Hausarbeiten, Artikel, Blogbeiträge und andere Veröffentlichungen genutzt werden, da er auch generelle Aussagen zu gendersensibilisierter Sprache trifft.
Ziel dieses Leitfadens ist es nicht, eine bestimmte Art gendersensibilisierter Sprache vorzugeben oder jegliche Entscheidungen in der Verwendung gendersensibilisierter Sprache abzunehmen. Wir möchten unsere Lesenden über verschiedene Varianten gendersensibilisierter Sprache informieren und euch die Möglichkeit geben, informiert Entscheidungen zu treffen. Wie gendersensibilisierte Sprache verwendet wird, ist eine persönliche Entscheidung, weshalb auch unsere Autor*innen in den folgenden Kapiteln unterschiedliche Methoden verwenden.
Berücksichtigung diskriminierungssensibilisierter Sprache
Bereits früh im Entstehungsprozess unseres Leitfadens ist uns bewusst geworden, dass wir gendersensibilisierte Sprache nicht von anderer diskriminierungssensibilisierter Sprache trennen können. (Sprachliche) Diskriminierung endet nicht mit der Verwendung gendersensibilisierter Sprache. Menschen werden durch Sprache auch rassistisch oder klassistisch diskriminiert, aufgrund einer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung, ihres Alters usw.
Gendersensibilisierte Sprache und diskriminierungssensibilisierte Sprache sind schon allein vor dem Hintergrund mehrdimensionaler Diskriminierungen nicht getrennt voneinander denkbar. Wer sich für gendersensibilisierte Sprache einsetzt, muss sich auch für diskriminierungssensibilisierte Sprache stark machen.
Wir wollten in diesem Leitfaden deshalb auch andere Dimensionen diskriminierungssensibilisierter Sprache thematisieren, obgleich der Schwerpunkt des Leitfadens auf gendersensibilisierter Sprache liegt. Eine umfassende Betrachtung aller Diskriminierungsdimensionen würde unsere Kapazitäten und unsere Expertise übersteigen.
Wir mussten uns daher auch auf die Betrachtung sprachlicher Diskriminierungen am Beispiel von Rassismus und aufgrund der Dimension Behinderung beschränken. Trotzdem ermutigen wir unsere Lesenden, sich weiterzubilden, die Diskriminierung aufgrund anderer Dimensionen zu berücksichtigen und stets die eigene Sprache zu reflektieren.
Unsere Perspektiven
Mit der Reflektion der eigenen Sprache geht auch die Reflektion der eigenen Perspektiven einher. An unseren Kapiteln haben Personen mitgearbeitet, die selbst nicht oder nicht von allen thematisierten Diskriminierungsdimensionen betroffen sind.
Wenn wir mit unserer Sprache oder unseren Ausführungen diskriminieren, ist das nicht unsere Intention, obgleich das eine Diskriminierung selbstverständlich nicht rechtfertigen kann. Wir freuen uns deshalb über Kritik und Anmerkungen unter: [email protected] oder über die Kommentarfunktionen, dazu sogleich.
Entstehungsprozess
Nach unserem Kick-off im August 2022 besprachen wir Autor*innen gemeinsam das Ziel und den Aufbau des Leitfadens. Die einzelnen Kapitel wurden Autor*innen-Teams zugeordnet. Diese konzipierten den Leitfaden inhaltlich und verfassten die Texte in mehreren Schreibsprints. Unsere Kapitel schrieben wir direkt online bei Wikibooks, wo ein aktueller Stand jederzeit einsehbar war. Nach Abschluss des Leitfadens erfolgte ein Umzug zu PubPub.
Nach einem internen Review gaben wir unsere Texte außerdem in ein externes Review-Verfahren, für das wir zahlreiche Expert*innen unterschiedlicher Bereiche gewinnen konnten. Wir haben sehr von der Expertise unserer Reviewer*innen und ihren wertvollen Kommentaren und Anmerkungen profitiert. Unser großer Dank gilt Alice Bertram, Sonja Ewerdt-Schlaak M.M., Stefanie Gröhl, Lisa Hahn, Dr. Sina Haydn-Quindeau, Majula Jaiteh, Marvin Jansen, Hannah Koch, Lea-Kathrin Langosch, Isabella Lex, Gwinyai Machona, Ghazzal Novid, Ute Larsen, Susanna Roßbach, Prof. Dr. Dana-Sophia Valentiner sowie dem Postmigrantischen Jurist*innenbund und dem Netzwerk Frauen mit Behinderung im Deutschen Juristinnenbund.
Wir danken außerdem Marie Dewey für das Design unseres Headers und des Covers.
Die Erstellung unseres Leitfadens, das externe Review sowie das Design erfolgten ehrenamtlich.
Barrierearme Darstellung des Leitfadens
Die Plattform PubPub ermöglicht es leider nicht, Veränderungen an der Schriftgröße, dem Farbkontrast oder Ähnlichem vorzunehmen, um den Leitfaden barriereärmer darzustellen. Es gibt allerdings die Möglichkeit, einzelne Kapitel des Leitfadens in Formaten wie PDF oder Word herunterzuladen. Die Kapitel können sodann in ihrer Darstellung angepasst werden. Das Herunterladen ist oben rechts auf PubPub unter dem Punkt “Download” möglich. Dort kann das bevorzugte Format ausgewählt werden.
Lebender Leitfaden
Dieser Leitfaden soll ein lebender Leitfaden sein. Wir freuen uns, wenn ihr mit uns in Kontakt tretet und eure Anmerkungen beisteuert. Ihr könnt direkt bei PubPub unsere Texte kommentieren. Dieses Vorgehen ist für uns ideal, weil wir eine Übersicht dieser Kommentare erhalten und auch andere Lesende die Kommentare einsehen und selbst kommentieren können.
Um einen Text zu kommentieren, müsst ihr euch ein Profil bei PubPub erstellen. Anschließend könnt ihr den jeweiligen Textabschnitt markieren. Es erscheint dann ein Fenster, das unter anderem zwei Sprechblasen enthält (“start a discussion”). Klickt ihr auf die Sprechblasen, könnt ihr euren Kommentar eingeben und dann unter “post discussion” veröffentlichen. Auf andere Kommentare könnt ihr reagieren, indem ihr unterhalb der Kommentare auf “add a reply” geht.
Möchtet ihr unsere Texte nicht öffentlich kommentieren oder uns nicht öffentlich auf Leerstellen in unserem Leitfaden hinweisen, könnt ihr uns eure Rückmeldungen per E-Mail zusenden an: [email protected].
Mehr Informationen zum Projekt OpenRewi - Initiative für eine offene Rechtswissenschaft gibt es auf dieser Website.
Zitiervorschlag: Autor*innen, Kapitel-Name, in: Gendern in der Dissertation, Link zum Kapitel, abgerufen am…
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