Notwendiges Vorwissen: Linguistik, Gender und Recht
Lernziel: In diesem Kapitel sollen 12 Methoden gendersensibilisierter Sprache vorgestellt werden.
Die Umsetzung gendersensibilisierter Sprache kann manchmal herausfordernd sein, weil generische Maskulina oft nicht nach einem einheitlichen Schema ersetzt werden können, sondern für jede Formulierung kontextabhängig die passende Lösung gefunden werden muss. Positiv formuliert bedeutet dies jedoch, dass die deutsche Sprache eine Vielzahl von Möglichkeiten bietet, um gendersensibilisierte Lösungen zu finden. In diesem Kapitel werden daher 12 Methoden gendersensibilisierter Sprache vorgestellt, aus denen nach Belieben eine oder mehrere Formen für die eigene Dissertation gewählt werden können. Als Entscheidungshilfe sind die Vor- und Nachteile der jeweiligen Methode dargestellt. Wir möchten dabei keine Methode des Genderns empfehlen, sondern vielmehr die zahlreichen Möglichkeiten für eine gendersensibilisierte Sprache verdeutlichen.
Bei jeder Methode soll zudem ein Beispielsatz die Anwendung im Text veranschaulichen. Teilweise können einige Methoden gendersensibilisierter Sprache auch kombiniert werden, ohne ein uneinheitliches Schriftbild zu riskieren. So können insbesondere die Neutralform (IX.) und die Verlaufsform (X.) problemlos mit allen anderen Methoden gendersensibilisierter Sprache gemeinsam verwendet bzw. abgewechselt werden. Generell ist die Verwendung einer einheitlichen Form des Genderns zu empfehlen, vor allem bei den Methoden, die Sonderzeichen verwenden. Die letzte dargestellte Methode für das Gendern bei Titeln (XII.) ist auf die spezielle Situation zugeschnitten, dass generisch männliche akademische Titel gendersensibilisiert genannt werden wollen. Die Möglichkeiten für eine gendersensibilisierte Sprache sind damit genauso vielfältig, wie die sprachlich damit sichtbar gemachten Geschlechter und Identitäten.
Barrierefreiheit
Ein Entscheidungskriterium für sprachliche Formen ist im Sinne einer möglichst inklusiven Sprache auch die Barrierefreiheit von Texten. Der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e.V. (DSBV) empfiehlt grundsätzlich, neutrale Formulierungen (IX.) zu verwenden, die kein Geschlecht ausschließen (“Team” statt “Mitarbeiter” oder “Mitarbeiterinnen”). Kurzformen sind für automatisierte Sprachausgabegeräte problematisch: Satzzeichen oder Sonderzeichen werden, sofern sie nicht generell unterdrückt und als Sprachpause (ähnlich dem Glottisschlag) vorgelesen werden, als solches ausgesprochen und unterbrechen somit den Lesefluss. Der Doppelpunkt wird beispielsweise als längere Pause gelesen (länger als der Glottisschlag). Das generelle Unterdrücken von bestimmten Satz- oder Sonderzeichen ist bei bestimmten Softwarelösungen möglich, kann jedoch zu Textverfälschungen bei Verwendung der Zeichen außerhalb des Genderkontextes führen.
Teilweise können bestimmte Einstellungen auch im Programm selbst über die Nutzer*innenoberfläche verändert werden, sodass die Verwendung der jeweiligen Methode des Genderns vom Programm richtig angezeigt bzw. vorgelesen wird.1
Sollte eine Kurzform verwendet werden, empfiehlt der DSBV das Sternchen (Asterisk, III.), weil es laut Veröffentlichungen des Deutschen Rechtschreibrates die am häufigsten verwendete Kurzform ist. Doppelpunkt und Unterstrich sind oftmals für sehbehinderte Menschen schlechter zu erkennen als der Asterisk.2 Die Überwachungsstelle des Bundes für Barrierefreiheit in der Informationstechnik (BFIT-Bund) hat eine Empfehlung zur Verwendung von gendergerechter Sprache im Kontext digitaler Barrierefreiheit erstellt.3 Die Empfehlungen basieren auf einer repräsentativen Umfrage, in der sich Menschen mit Behinderungen mit unterschiedlichen geschlechtlichen Identifikationen unabhängig von ihrem biologisch zugeordneten Geschlecht sowie binäre Personen für die Verwendung des Asterisks aussprechen. Auch die BFIT-Bund spricht sich in dieser Empfehlung für die Verwendung des Asterisks in digitalen Anwendungen aus.
Bei Paarformulierungen werden maskuline und feminine Bezeichnungen voll ausgeschrieben und nebeneinander gestellt, wie in “Studenten und Studentinnen”. Diese Methode wird auch als Doppelnennung bezeichnet. Auch die dazugehörigen Artikel, Adjektive und Pronomen müssen geschlechtsspezifisch umgestellt werden. Ausgeschriebenen Paarformen kommt vor allem bei Amts- und Funktionsbezeichnungen eine große Bedeutung zu, da Behörden- und Funktionsbezeichnungen meist in Normen festgelegt sind. Auch für die förmliche Anrede ist die Paarformulierung möglich: “Liebe Kolleginnen und Kollegen”.
Laut psycholinguistischen Studien ausgeglichene mentale Repräsentanz von Frauen und Männern4
Nach der amtlichen Rechtschreibung zugelassene sprachliche Form
Keine vollständige sprachliche Gleichstellung, da Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, sprachlich nicht abgebildet werden
Texte werden länger, da auch zugehörige Artikel, Adjektive und Pronomen geschlechtsspezifisch umgestellt werden müssen
Durchgängige Verwendung von Paarformen in juristischen Texten nach Studien eher unbeliebt
Juristische Personen haben nur ein grammatisches, kein natürliches Geschlecht; es könnte der Eindruck erweckt werden, dass Paarformen nur natürliche Personen erfassen
Alle Schülerinnen und Schüler müssen während der Hofpause den Klassenraum verlassen.
Im Kontext: Die Doppelnennung ist häufig in Gesetzen zu finden, z.B. in § 2 Nr. 10 Niedersächsisches Polizei- und Ordnungsbehördengesetz (NPOG):
Im Sinne dieses Gesetzes ist Polizeibeamtin oder Polizeibeamter: eine Beamtin oder ein Beamter im Polizeivollzugsdienst, die oder der allgemein oder im Einzelfall zur Wahrnehmung polizeilicher Aufgaben ermächtigt ist.
Bei der Sparschreibung werden Wortteile durch einen Schrägstrich oder eine Klammer eingespart, sodass das Wort kürzer wird. Ein eingefügter Schrägstrich bedeutet dabei die Angabe mehrerer gleichberechtigter Möglichkeiten und kann in Verbindung mit dem Bindestrich Textteile einsparen, so zum Beispiel bei “Mitarbeiter/-innen”. Ähnlich verhält es sich mit der Klammerschreibung, wie in “Fahrer(innen)”. Diese Formulierung kann nur umgesetzt werden, wenn die feminine Form durch das Suffix “–in” von der maskulinen abgeleitet wird, was z.B. bei “Arzt/Ärztin” nicht der Fall ist.
Wird teilweise als sprach-ökonomischer und übersichtlicher erachtet
Texte werden kürzer
Nach der amtlichen Rechtschreibung zugelassene sprachliche Form
Keine vollständige sprachliche Gleichstellung, da Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, sprachlich nicht abgebildet werden
Schwer auszusprechen
Es kann das Bild der Frau als Anhängsel des Mannes erzeugt bzw. der Eindruck erweckt werden, der eingeklammerte Bestandteil könne auch weggelassen werden und sei unwichtiger
Nicht umsetzbar, wenn die feminine Form nicht durch das Suffix “-in” abgeleitet werden kann, etwa bei Umlauten, z.B. Arzt/Ärztin
Student/-innen werden gebeten, sich für die Klausur anzumelden. Dozent(inn)en sollten dies vor der Klausur überprüfen.
Der Asterisk, auch Genderstern genannt, soll in Worten wie “Antragsteller*innen” verdeutlichen, dass das Geschlecht kein binäres System ist. Er wird vor der femininen Endung platziert und soll als Platzhalter für weitere mögliche Geschlechter fungieren. Beim Vorlesen wird das Sternchen als kurze Pause (sogenannter Glottisschlag) gelesen: “Antragsteller [kurze Pause] innen”.
Auch nichtbinäre Personen und Geschlechtsidentitäten, die sich weder Mann noch Frau zuordnen, werden berücksichtigt
Zeigt, dass Geschlecht kein binäres System ist
Kürzer als Paarformulierungen
Das Sonderzeichen * verdeutlicht, dass es sich um eine bewusste Irritation des Schriftbildes zugunsten gendersensibilisierter Sprache handelt
Sternchen kann als Symbol über die Einfügen-Leiste bei Word eingefügt werden, um beim Sprachprogramm von Word als Pause gelesen zu werden
Beliebte Form des Genderns
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, müssen diese Konvention des Genderns kennen, um das Sonderzeichen deuten zu können
Sprachliche Schwierigkeiten:
Ggf. Schwierigkeiten bei Umlauten: Ärzt*in, Bäuer*in
Ggf. Schwierigkeiten beim Hinzutreten von Artikeln, Possessivpronomen oder attributiven Adjektiven: die*der Schüler*in bzw. ihre*seine Eltern oder ein*e gute*r Schüler*in
Ggf. Schwierigkeiten bei zusammengesetzten Wörtern: Eigentümer*innenpflichten
Ggf. lesen Sprachprogramme für Menschen mit Sehbehinderung das Sternchen nicht als Pause, sondern als “Stern” vor (siehe dazu schon oben unter “Barrierefreiheit”)5
Durch den Mietvertrag werden Vermieter*innen verpflichtet, Mieter*innen den Gebrauch der Mietsache während der Mietzeit zu gewähren.
Das große I im Wortinneren wird auch als “Binnenmajuskel” bezeichnet. Es steht an derselben Stelle im Wort wie das Gendersternchen, nämlich vor der femininen Endung, wie z.B. in “DozentInnen”. Der große Buchstabe im Inneren des Wortes soll Aufmerksamkeit auf sich ziehen und so auf die Problematik des generischen Maskulinums hinweisen.
Kurze übersichtliche Schreibweise
Einheitliches Schema
Keine vollständige sprachliche Gleichstellung, da Personen, die sich weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zuordnen, sprachlich nicht abgebildet werden
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Teilweise wird vorgebracht, das große I könnte für ein kleines i oder kleines L gehalten und so übersehen werden
Im Singular müssen die zugehörigen Artikel und Pronomen jeweils angepasst werden: der/die StudentIn
Wird teilweise als veraltet angesehen
Sprachliche Schwierigkeiten:
Ggf. Schwierigkeiten bei Umlauten: ÄrztIn, BäuerIn
Ggf. Schwierigkeiten beim Hinzutreten von Artikeln, Possessivpronomen oder attributiven Adjektiven: die/der SchülerIn bzw. ihre/seine Eltern oder ein/e gute/r SchülerIn
Ggf. Schwierigkeiten bei zusammengesetzten Wörtern: EigentümerInnenpflichten
Ggf. lesen Sprachprogramme für Menschen mit Sehbehinderung das Binnen-I nicht als Pause, sondern als großes I vor, sodass der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. dieses Sonderzeichen im Sinne einer inklusiven Sprache nicht empfiehlt
LeserInnen können sich bei Fragen an den/die AutorIn wenden.
Im Kontext: Die Schweizer Wochenzeitung (WOZ) sowie ein Teil der Redaktion der Tageszeitung (taz) verwendeten seit den 1980er Jahren das Binnen-I in ihren Artikeln.6
Der Gender-Doppelpunkt wird nach einer männlichen Bezeichnung oder dem Wortstamm und vor die weibliche Endung gesetzt, um als Platzhalter in Personenbezeichnungen zwischen männlichen und weiblichen auch nichtbinäre Personen typografisch sichtbar zu machen und einzubeziehen.
Gilt als lesefreundlicher als andere Kurzvarianten
Textsparsamer als Doppelnennung etc.
Screenreader lesen i.d.R. den Doppelpunkt nicht vor, weswegen eine höhere Barrierefreiheit als bei anderen Alternativen bestehen kann (siehe hierzu oben unter “Barrierefreiheit”)
Gendern von Juden:Jüdinnen besser, als *, da bei * “Judenstern/Judensternchen” gelesen wird7
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Kann missverständlich sein, da Doppelpunkt bereits eine semantische Funktion in der Schriftsprache hat
Doppelpunkt irritiert im Vergleich zum Asterik oder zum Gender-Gap weniger (sowohl beim Lesen als auch teils bei Vorlesefunktionen), macht daher aber weniger auf geschlechtliche Identitäten außerhalb der geschlechtlichen Binarität aufmerksam
Sprachliche Schwierigkeiten:
Ggf. Schwierigkeiten bei Umlauten: Ärzt:in, Bäuer:in
Ggf. Schwierigkeiten beim Hinzutreten von Artikeln, Possessivpronomen oder attributiven Adjektiven: die/der Schüler:in bzw. ihre/seine Eltern oder ein:e gute:r Schüler:in
Ggf. Schwierigkeiten bei zusammengesetzten Wörtern: Eigentümer:innenpflichten
Ggf. lesen manche Sprachprogramme für Menschen mit Sehbehinderung den Doppelpunkt nicht als Pause, sondern als Doppelpunkt vor, sodass der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. dieses Sonderzeichen im Sinne einer inklusiven Sprache nicht empfiehlt
Handwerker:innen müssen sich bei der Handwerkskammer melden.
Im Kontext: Hengameh Yaghoobifarah verwendet im Roman Ministerium der Träume den Doppelpunkt als Genderzeichen.
Der Gender-Gap, auch statischer Unterstrich genannt, steht genau wie der Genderstern im Wortinneren vor der femininen Endung. Er soll etwa in Mitarbeiter_innen bildlich eine Lücke für weitere Geschlechter und Geschlechtsidentitäten lassen und diesen so auch sprachlich einen Platz einräumen. Auch dieses Sonderzeichen soll das Schriftbild bewusst irritieren und auf eine Aussprache hinweisen, die diese Lücke beim Sprechen durch eine kurze Pause zwischen den zwei Wortteilen (Glottisschlag) berücksichtigt.
Auch nichtbinäre Personen und Geschlechtsidentitäten, die sich weder Mann noch Frau zuordnen, werden berücksichtigt
Zeigt, dass Geschlecht kein binäres System ist
Kürzer als Paarformulierungen
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Menschen, die Deutsch als Fremdsprache lernen, müssen diese Konvention des Genderns kennen, um das Sonderzeichen deuten zu können
Sprachliche Schwierigkeiten:
Ggf. Schwierigkeiten bei Umlauten: Ärzt_in, Bäuer_in
Ggf. Schwierigkeiten beim Hinzutreten von Artikeln, Possessivpronomen oder attributiven Adjektiven: die/der Schüler_in bzw. ihre/seine Eltern oder ein_e gute_r Schüler_in
Ggf. Schwierigkeiten bei zusammengesetzten Wörtern: Eigentümer_innenpflichten
Ggf. lesen Sprachprogramme für Menschen mit Sehbehinderung den Gendergap nicht als Pause, sondern als “Unterstrich” vor, sodass der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. dieses Sonderzeichen im Sinne einer inklusiven Sprache nicht empfiehlt
Bei unterstrichenen Wörtern wird der Gender-Gap unsichtbar bzw. als Lücke dargestellt
Behördenleiter_innen sollten sich mit gendersensibilisierter Sprache beschäftigen, um alle Mitarbeiter_innen sprachlich berücksichtigen zu können.
Der Unterstrich soll mit seiner Dynamik die Vorstellung bzw. das Verständnis von Gender “in Bewegung bringen”, indem er die Binarität bildlich durch Veränderlichkeit durchbricht. Der Unterstrich hat keinen festen Ort im Wort; er wandert vielmehr in Substantiven und Pronomen - mit Ausnahme der Stelle, an welcher der statische Unterstrich eingefügt würde.
Als besondere Form des dynamischen Unterstriches gibt es den Wortstamm- oder Silbenunterstrich, welcher durch einheitliche Verwendung eine Regelmäßigkeit in Texte bringen kann. Er wird jedoch auch genutzt, um den Fokus auf andere Aspekte, z.B. Rassismus oder Ableismus, zu legen. Im Gegensatz zum dynamischen Unterstrich orientiert sich die Verortung des Unterstrichs am Wortstamm, einer Silbe oder einem anderen für die Aussprache geeigneten Teil des Wortes. Vermieden wird jedoch die konventionalisierte Stelle des statischen Unterstrichs (Gender-Gap).
Durchbricht binäre Konstrukte und umfasst somit alle Geschlechter
Kurze Schreibweise
Fordert konventionelle Wahrnehmung heraus
Eignet sich nur für Schriftsprache
Unregelmäßigkeit im Text kann Lesbarkeit erschweren
Bei Personen, die erlernbare Strukturen der Sprache benötigen (wie z.B. einigen Menschen aus dem autistischen Spektrum) kann diese Form zur Unlesbarkeit führen
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Nicht sehr verbreitet
Sprachliche Schwierigkeiten:
Ggf. Schwierigkeiten bei Umlauten: Är_ztin, Bäu_erin
Ggf. Schwierigkeiten beim Hinzutreten von Artikeln, Possessivpronomen oder attributiven Adjektiven: die/der Schü_lerin bzw. ihre/seine Eltern oder ei_ne gu_ter Schü_lerin
Ggf. Schwierigkeiten bei zusammengesetzten Wörtern: Eigentü_merinnenpflichten
Ggf. lesen Sprachprogramme für Menschen mit Sehbehinderung den Unterstrich nicht als Pause, sondern als „Unterstrich“ vor, sodass der deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband e. V. dieses Sonderzeichen im Sinne einer inklusiven Sprache nicht empfiehlt
Bei unterstrichenen Wörtern wird der dynamische Unterstrich unsichtbar bzw. als Lücke dargestellt
We_lche Mita_rbeiterin hat heute Aufsicht? Sie_r soll sich melden.
Im Kontext: Lann Hornscheidt verwendet den dynamischen Unterstrich u.a. in Gedichten im Buch feministische w_orte.
Das generische Femininum wird oft als Gegenstück zum generischen Maskulinum verwendet. Hierbei werden ausschließlich die konventionalisiert weiblichen Formen von Substantiven und Pronomen benutzt. In der Sprachwissenschaft bezeichnet es die Verwendung einer grammatisch femininen Personenbezeichnung, zu der es ein maskulines Gegenstück gibt. Diese Sprachform wird im Kontext des Genderns im geschlechtsübergreifenden (generischen) Sinn verstanden, d.h. die feminine Form bezieht sich auf alle Geschlechter - nicht nur auf Frauen. Zu beachten ist bei dieser Sprachform, dass sie jedoch in der praktischen Wahrnehmung ebenso wenig wie das generische - oder auch andro-gendernde - Maskulinum genderneutral ist.
Der Begriff der Andro-genderung betont allerdings, dass diese Sprachform den Mann als menschliche Norm voraussetzt. Das generische Femininum ist daher geeignet, diesen Umstand hervorzuheben und/oder in Kontexten, in den eine implizit männliche Norm besteht, diese sprachlich zu irritieren.
Lesefreundlich
Textsparsamer als Doppelnennung etc.
Fordert konventionelle Wahrnehmung heraus
Keine Verwendung von Sonderzeichen notwendig, daher auch barrierefrei
Kann missverständlich sein, da wenig verbreitet und nicht als genderneutral wahrgenommen
Für Personen, die erlernbare Strukturen der Sprache benötigen (wie z.B. einige Menschen aus dem autistischen Spektrum) kann diese Form Schwierigkeiten hervorrufen
Kann als “binäres Symbol” verstanden werden, welches nichtbinäre Geschlechter außen vorlässt
Inhaberinnen einer Funktion oder eines Mandats sind verpflichtet, nach Ablauf ihrer Amtszeit ihre Funktion oder ihr Mandat verantwortungsvoll weiterzuführen, bis eine Nachfolgerin bestellt oder gewählt ist, wenn keine Stellvertreterin oder Ersatzvertreterin bestimmt ist.
Im Kontext: Seit Mai 2013 ist die Grundordnung der Universität Leipzig im generischen Femininum gefasst. Corinna Ujkasevic verwendet in ihrer juristischen Dissertation Die Kompensation von Verfahrensrechtsverstößen in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte konsequent das generische Femininum. Als Bundesjustizministerin hatte Christine Lambrecht 2020 einen Gesetzentwurf zum geänderten Insolvenzrecht vorgelegt, der über 600 Bezeichnungen im generischen Femininum enthielt.8
Bei der Neutralform werden geschlechtsneutrale Personenbezeichnungen verwendet, die nichts über das biologische Geschlecht der bezeichneten Person aussagen. So können Substantive benutzt werden, deren Genus nicht notwendigerweise dem Sexus entspricht und die mithin alle Geschlechter ansprechen. Beispiele hierfür sind Substantive, wie “Mensch”, “Person” oder “Mitglied”. Weitere geschlechtsindifferente Substantive bilden Zusammensetzungen mit -kraft oder -schaft, z.B. “Staatsanwaltschaft” oder “Lehrkraft” sowie Ableitungen auf -ung, wie “Leitung” und “Vertretung”. Daneben können geschlechtsunspezifische Pronomen wie “alle”, “einige”, “diejenigen” oder “niemand” verwendet werden.
Bei Umschreibungen wird das generische Maskulinum nicht durch einzelne Wörter ersetzt, sondern die syntaktische Satzstruktur wird so verändert, dass Personenbezeichnungen vermieden werden. Möglichkeiten dafür sind adverbiale Bestimmungen (“handeln im fremden Namen” statt “handeln als Vertreter”), der Einsatz von Adjektiven und Possessivpronomen (“ärztlicher Rat” statt “Rat eines Arztes”), verbale Umschreibungen (“Der Antrag richtet sich gegen:” anstelle von “Antragsgegner:”), sowie Relativsätze mit “der, die, das, diejenigen oder wer” (“Wer aus … tötet, wird … bestraft” statt “Mörder ist, wer aus … tötet”). Auch kann die passive statt einer aktiven Formulierung gewählt werden (“Wird der Kaufpreis bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht entrichtet, so …” anstelle von “Entrichtet der Käufer den Kaufpreis bis zum Fälligkeitszeitpunkt nicht, so …”).
Auch nichtbinäre Personen und Geschlechtsidentitäten, die sich weder Mann noch Frau zuordnen, werden berücksichtigt
Kein Konflikt mit der amtlich zugelassenen Rechtschreibung
Es kann zum Ausdruck gebracht werden, dass das Geschlecht in der abstrakt-generellen Rechtssprache eher unwichtig ist
Neutralform schließt meist auch juristische Personen mit ein
Texte bleiben vorlesbar
Methode kann mit allen anderen Formen gendersensibilisierter Sprache kombiniert werden
Methode war in linguistischen Studien die beliebteste Form für juristische Texte9
Kann nicht für jede sprachliche Situation eingesetzt werden, z.B. wenn es für feste Rollen keine Neutralform gibt, etwa bei “die Bundeskanzlerin” oder “der Bundeskanzler”
Texte wirken ggf. entpersonalisiert oder sperrig
In linguistischen Studien wurde die Neutralform trotzdem überwiegend mit Männern assoziiert10
Wird eine Person aus der Abteilung krank, so kann sie durch ein Mitglied der Leitungsebene vertreten werden.
Bei der Verlaufsform werden substantivierte Partizipien, wie “Studierende” oder “Abgeordnete” genutzt, die im Plural genderneutral sind. Sie können mit dem jeweiligen Artikel im Singular in der gleichen Form verwendet werden (“der/die Studierende”). Ebenfalls eignen sich substantivierte Adjektive wie “Jugendliche”.
Auch nichtbinäre Personen und Geschlechtsidentitäten, die sich weder Mann noch Frau zuordnen, werden berücksichtigt
Kein Konflikt mit der amtlich zugelassenen Rechtschreibung
Texte bleiben vorlesbar
Methode kann mit allen anderen Formen gendersensibilisierter Sprache kombiniert werden
Schwierigkeiten können bei der Bezeichnung von festen Rollen oder Berufen auftreten, z.B. kann statt “Richter” oder “Richterin” nicht “die Richtenden” verwendet werden (besser an dieser Stelle: “das Gericht” oder “der Senat”)
Kann nur für einige sprachliche Situationen eingesetzt, jedoch nicht generell als Alternative zu generischen Maskulina gebraucht werden
Studierende, Promovierende, Abgeordnete sowie Jugendliche können sich gleichermaßen für Musik interessieren.
Im Kontext: Verschiedene Gesetze nutzen diese Form der genderneutralen Sprache, z.B. das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) verwendet die Verlaufsform Studierende.
Die x-Form wird bevorzugt verwendet, wenn im konkreten Text das Geschlecht einer gemeinten Person keine Rolle spielt oder keine Rolle spielen soll. Diese Sprachform durchbricht auf sehr deutliche Weise verbreitete Binaritätsvorstellungen. Das ,x’ soll - auch bildlich - ein Durchkreuzen herkömmlicher gegenderter Personenvorstellungen symbolisieren. Substantive werden wie folgt gebildet: im Singular wird ,x’, im Plural ‚xs’ an den Wortstamm der dazugehörigen Verbform gehängt (Studierx, Studierxs; Störenfriedx, Störenfriedxs). Bei Pronomen wird im Singular ein ,x’, im Plural ein ‚xs’ als Personal- und Possesivpronomen verwendet; ‚dix’ entspricht dem bestimmten Pronomen, ‚einx’ dem unbestimmten. Auch Fragepronomen werden angepasst (Wex?).
Statt des ‚x’ gibt es auch die Variante ein ‚*’ (Sternchen) anstelle des ‚x’ zu verwenden. Bei dieser Sprachform wird das ‚x’ durch ‚*‘ und für die Pluralform ‚xs’ durch ‚**’ (Doppelsternchen) ersetzt.
Neutrale Form für alle Geschlechter
Wenn die bevorzugte Anrede nicht bekannt ist, ist diese Form verwendbar
Durchbricht binäre Konstrukte und umfasst somit alle Geschlechter
Kurze Schreibweise
Fordert konventionelle Wahrnehmung heraus
Eignet sich nur für Schriftsprache
Unregelmäßigkeit im Text kann Lesbarkeit erschweren
Für Personen, die erlernbare Strukturen der Sprache benötigen (wie z.B. einige Menschen aus dem autistischen Spektrum) kann diese Form Schwierigkeiten hervorrufen
Nicht sehr verbreitet
Nach der amtlichen Rechtschreibung keine zugelassene sprachliche Form
Die Vorlesung von Professx Hornscheidt findet montags um 10:00 Uhr statt.
Im akademischen Kontext werden insbesondere in der (schriftlichen) Kommunikation häufig akademische Titel in abgekürzter Form verwendet. Wie können diese Abkürzungen diskriminierungssensibilisiert verwendet werden? Auch hier gibt es verschiedene Möglichkeiten, die sich z.T. aus den bereits genannten Formen ableiten:
Doktor*in, Professor*in Dr.*, Prof.*, Dr*in, Prof*in
Doktor_in, Professor_in Dr_in, Prof_in
Doktor:in, Professor:in Dr:in, Prof:in
Doktorx, Professx Drx, Profx
Zur Darstellung der weiblichen Form bei Abkürzungen ist das Apostroph (Dr.', Prof.') sowie die Anfügung oder Hochstellung der Silbe „in“ (Dr.in, Prof.in; Dr.in, Prof.in) gängig.
Lann Hornscheidt, Sprachhaltung zeigen! Ein Argumentationsleitfaden für diskriminierungskritisches Sprechen und Schreiben, w_orten & meer, 2021.
Christine Olderdissen, Genderleicht: Wie Sprache für alle elegant gelingt, 2022.
Anja Steinhauer/Gabriele Diewald, Richtig gendern: Wie Sie angemessen und verständlich schreiben, 2017.
Bundesverband der Kommunikatoren e. V. (BdKom), Kompendium Gendersensible Sprache, Strategien zum fairen Formulieren, 2020, https://www.bdkom.de/veroeffentlichungen/kompendium-gendersensible-sprache/.
Geschickt Gendern, Genderwörterbuch, https://geschicktgendern.de/.
Lann Hornscheidt, feministische w_orte: ein lern-, denk- und handlungsbuch zu sprache und diskriminierung, gender studies und feministischer linguistik, 2012.
Adibeli Nduka-Agwu/Lann Hornscheidt (Hrsg.), Rassismus auf gut Deutsch: ein kritisches Nachschlagewerk zu rassistischen Sprachhandlungen, 2010.
Christine Ivanov/Maria Lange u. a., Geschlechtergerechte Sprache in der Wissenschaft: Gebrauch und Motivation, Gender(ed) Thoughts, Working Paper Series 2019.
Helga Kotthoff, Gender-Sternchen, Binnen-I oder generisches Maskulinum, … (Akademische) Textstile der Personenreferenz als Registrierungen?, Linguistik Online 3/2020, 105.
Thomas Hanitzsch, Genderstern und Binnen-I: Es ist Zeit, die Realität zu akzeptieren, Publizistik 2021, 181.
Ulrike Lembke, Geschlechtergerechte Amtssprache - Rechtliche Expertise zur Einschätzung der Rechtswirksamkeit von Handlungsformen der Verwaltung bei Verwendung des Gendersterns oder von geschlechtsumfassenden Formulierungen, 2021, https://www.hannover.de/Service/Presse-Medien/Landeshauptstadt-Hannover/Meldungsarchiv-f%C3%BCr-das-Jahr-2021/Gutachten-best%C3%A4tigt-Genderstar-verwirklicht-Verfassungsauftrag sowie eine Zusammenfassung in Streit 3/2022, 134.
Jede Form gendersensibilisierter Sprache hat Vor- und Nachteile, daher ist es ein Stück weit “Geschmackssache”, welche Methode gewählt wird.
Nicht alle Methoden können für jede sprachliche Situation verwendet werden. Passt eine Form nicht, ist eventuell eine andere Form besser geeignet und kann kombiniert werden.
Die vielfältigen Methoden des Genderns fördern eine kreative Auseinandersetzung mit der Sprache.
LGBTIQ+ Interessenvertretungen, solche von Menschen mit Behinderung und Menschen aus dem autistischen Spektrum sowie weitere Zusammenschlüsse und Verbände empfehlen bestimmte Formen eher und lehnen andere eher ab. Auch diese Punkte der Repräsentation, Awareness und Barrierefreiheit gilt es mit zu erwägen.